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Kaufen oder mieten: Ein Vergleich mit überraschendem Ergebnis

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Kaufen oder mieten? Eigenheim oder “Fremdheim”? Egal wie man die Frage stellt, dahinter verbirgt sich für die meisten von uns die wohl größte Finanzentscheidung des Lebens. Viele Menschen gehen davon aus, dass Miete zahlen Geldverschwendung ist und man besser Kreditraten in dessen Höhe zahlt und dafür am Ende Immobilieneigentümer ist. Klingt zunächst plausibel, doch wird so die Komplexität der Entscheidung leider vollständig ignoriert. Warum? Das klären wir in diesem Blogbeitrag.

Überblick

Faktor Finanzen -> “Miete = Geldverschwendung!”

Sobald in einer Gesprächsrunde das Thema Miete oder Kauf fällt, fällt auch die Behauptung “Wer Miete zahlt, wirft Geld beim Fenster raus!”. Klar, Mietzahlungen sind Kosten, die an den Vermieter abgegeben werden und die man nicht wieder sieht. Umgekehrt würde man bei der Kreditrückzahlung in seine Immobilie investieren, also sein Vermögen vermehren. Schon diese Behauptung kann nicht 1:1 so stehen gelassen werden, da bei der Kreditrückführung natürlich auch Zinsen anfallen. Diese stellen nach obiger Betrachtungsweise ebenfalls Kosten dar, die man nicht wieder zurückbekommt.
Die Kreditrate setzt sich aus der Tilgung (= Rückführung des Kredites) und den Zinsen (= Entgelt für das Leihen von Geld) zusammen. Üblicherweise sind die Kreditraten über die Laufzeit des Kredites konstant. Dies impliziert, dass am Anfang die Zinsen einen bedeutenden Anteil der Rückzahlungen ausmacht, gegen Ende hin dafür nur noch marginal dazu beiträgt und die Tilgung klar im Vordergrund steht.
Somit darf man bei einer Gegenüberstellung von Kauf und Miete nicht die Kreditraten mit der Miete bzw. dem Mietzins (der Name verrät es schon) vergleichen, sondern muss die Zinszahlungen an die Bank davon abziehen bzw. dem Mieter als “frei verfügbares Geld” hinzurechnen. (Natürlich wird unterstellt, dass der Mieter das Geld, das ihm im Vergleich zum Käufer bleibt, spart bzw. investiert.)
Außerdem tritt aufseiten des Käufers ein weiterer Kostenpunkt hinzu, nämlich die Instandhaltungskosten für sein Eigenheim. Diese entfallen beim Mieter, da diese vom Vermieter zu übernehmen sind (Bsp. Rohrbruch, kaputte Fenster, funktionsuntüchtige Heizung oder sonstige kleinere wie größere Reparaturen). Und auch wenn die Instandhaltungskosten nicht konstant anfallen, ist es dennoch wichtig, regelmäßig Rücklagen zu bilden, um finanziell vorbereitet zu sein, wenn bspw. Reparaturen anfallen. (Natürlich kann man Reparaturen auch ignorieren, dann wird sich aber der Wert der Immobilie entsprechend vermindern, das Vermögen würde also so oder so geringer.)
Übrigens ist das Argument der niedrigen Zinsen und des somit “billigen Geldes” nicht zu Ende gedacht. Denn zieht sich diese Denkweise in einer Niedrigzinsphase durch die Bevölkerung, dann beginnt die Nachfrage nach Immobilien stark zu steigen – bei gleichbleibendem Angebot. Ergebnis ist eine Preissteigerung. Der Zinsvorteil, der durch die günstige Immobilienfinanzierung grundsätzlich besteht, wird also auf den Preis der Immobilie aufgeschlagen. Der extreme Anstieg der Immobilienpreise in den letzten Jahren bestätigt das.
Sobald herausgefunden wurde, welche Kosten/Gewinne auf beiden Seiten anfallen, kann eine Renditeberechnung durchgeführt werden. Die Rendite des Käufers setzt sich dabei aus folgenden Faktoren zusammen:
  • (+) Kaufpreis der Immobilie
  • (-) Transaktionskosten (Nebenkosten wie Notar, Immobilienmakler usw.)
  • (+/-) Wertsteigerung/Wertverlust der Immobilie
  • (-) Kredittilgung inkl. Zinsen
  • (-) Instandhaltungskosten
Die Rendite des Mieters setzt sich wie folgt zusammen:
  • (+) anfängliche Investition des Eigenkapitaläquivalents
  • (+) Summe laufender Investitionen
  • (+/-) Wertgewinn / Wertverlust der Investitionen inkl. Zins- bzw. Dividendengewinnen
  • (-) Transaktionsgebühren bzw. Verwaltungskosten (Depotführungsgebühren und Ordergebühren) -> sind bei Investitionen in ETFs über einen Online-Broker vernachlässigbar
  • (-) Kapitalertragsteuer
Typische Nebenkosten wie Kosten für Heizung, Wasser oder Müllentsorgung fallen natürlich auf beiden Seiten an und werden deshalb auch nicht in die Betrachtung mit einbezogen.

Kauf vs. Miete durchgerechnet

Das war bisher viel Theorie, wenden wir das Erarbeitete auf ein Beispiel an: Angenommen, A hat die Möglichkeit, ein und dieselbe Wohnung mit 100 m2 Wohnfläche um 500.000 € zu kaufen (= 5000 € pro m2) oder um 1.000 € pro Monat zu mieten (= 10 € pro m2 Kaltmiete, sprich ohne Betriebs- und Heizkosten).
Weitere Annahmen:
  • 20 % Eigenkapital = 100.000 €
  • 10 % Nebenkosten = 50.000 €
  • Kredit = 450.000 €, 25 Jahre Laufzeit, 3,5 % Fixzinssatz
  • Rücklagen für Instandhaltungskosten: 1,50 € pro m2 und Monat = 150 €; 2,5 % jährliche Anpassung
  • Wertsteigerung der Immobilie: 2,5 % p. a.
Der Mieter hingegen investiert seine Sparraten + die 100.000 € Eigenkapital, die ja ebenfalls für Investments genutzt werden können, in ETFs mit durchschnittlich 5 % Rendite pro Jahr. Die Miete steigt um 2,5 % p. a. Die Steigerung ist angelehnt an die durchschnittliche Inflationsrate nach VPI der letzten 25 Jahre (1996 – 2021), die 2,2 % p. a. beträgt.
Es ergibt sich also folgende Gegenüberstellung nach 25 Jahren:
KAUFMIETE
(+) Wert der Immobilie: 926.972,05 €(+) Wert der Anlage 780.882,90 €
(-) Kredittilgung inkl. Zinsen: 621.871,90 €(-) KESt 88.514,77 €
(-) Instandhaltungskosten: 63.654,25 €(-) Ausgaben für Miete 432.140,50 €
= 191.445,90 € = 260.227,63 €
In dem gewählten Beispiel geht der Mieter also mit fast 70.000 € plus aus dem Vergleich. Das muss natürlich nicht immer so sein, ein Kauf kann sich durchaus rechnen. Vermutlich ist jedoch in der Mehrzahl der Fälle das Wohnen zur Miete aus finanzieller Sicht die bessere Wahl und der Kauf eines Eigenheims Luxus.
Beachte: In diesem Beispiel wird angenommen, man entscheidet sich zwischen Kauf und Miete desselben Objektes. Dies ist die einzig vernünftige Annahme für einen aussagekräftigen Vergleich. In der Praxis wird sich diese Frage jedoch selten so stellen. Da geht es dann eher darum, ob man endlich aus seiner 80 m2 großen Wohnung auszieht, um in ein 150 m2 großes Haus zu wechseln. Selbstverständlich ist ein finanzieller Vergleich in so einem Fall aus Sicht des Käufers von Anfang an verloren, erst recht, wenn das Haus luxuriöser ausgestaltet wird als die Wohnung (was oft zutreffen wird).
Die Höhe der Rücklagenbildung für die Instandhaltung hängt natürlich maßgeblich von der Bausubstanz und dem Alter der Immobilie ab. In jeder Eigentumswohnanlage ist in Österreich gesetzlich verpflichtend, eine Rücklage von zumindest 0,9 € pro m2 Nutzfläche zu bilden (§ 31 WEG). Dies ist allerdings nur auf Aufwendungen bezogen, die die Eigentümergemeinschaft betreffen. Der deutsche Verbraucher-Ratgeber Finanztip geht im Jahr 2020 von 1,50 € pro m2 und Monat (ist natürlich der Inflation anzupassen) bzw. 0,5 % bis 1 % des Immobilienwerts pro Jahr aus. Finanzfluss (bekannt durch den gleichnamigen Youtube-Kanal) geht von 1,5 % des Gebäudewertes bei neuen Gebäuden und 2-3 % des Gebäudewertes bei alten Gebäuden aus. Und generell kann gesagt werden: Instandhaltungskosten werden gerne unterschätzt.
Die Wertsteigerung der Immobilie hängt natürlich von vielen Faktoren ab, u. a. der Bevölkerungsentwicklung in der Region und der Substanz der Immobilie. In unserem Fall ist sie angelehnt an die durchschnittliche Inflationsrate nach VPI der letzten 25 Jahre (1996 – 2021), die 2,2 % p. a. beträgt.

Faktor Lifestyle

Natürlich geht es bei der Entscheidung “Eigenheim ja oder nein” zumeist nicht nur um die nackten Zahlen, sondern auch um Lifestyle bzw. Typen-Fragen:

Bist du der Typ für’s Eigenheim?

Kümmerst du dich gerne für dein Haus, wenn wieder mal Reparaturen anfallen? Kannst du sie womöglich selbst erledigen und so die Instandhaltungskosten möglichst niedrig halten? Oder nervt dich das nur, wenn ständig etwas am Haus kaputt geht (und das tut es) und du dich schon wieder darum kümmern musst? Oder hast du schlicht zwei linke Hände und musst für jede Kleinigkeit einen Handwerker holen? (Das muss dir nicht peinlich sein, geht mir auch so 😉

Besseres Lebensgefühl mit Eigenheim?

Wiegt die Freude, die du mit deinem Eigenheim hast, die – womöglich bestehenden – finanziellen Nachteile auf? Oder siehst du das Eigenheim als Statusobjekt?

Bist du der sesshafte Typ oder eher Nomade?

Wie oft bist du in deinem Leben bereits umgezogen? Wird sich das in Zukunft ändern? Hast du in deinem Job Aussichten auf einen Aufstieg, der mit einem Umzug in eine andere Stadt einhergehen würde? Hast du bereits Familie bzw. kommen deiner Meinung nach keine Kinder (mehr) in Frage und weißt deshalb, wie viel Wohnraum du brauchen wirst? All diese Fragen solltest du durchgehen und ehrlich für dich selbst beantworten. Denn eines ist klar: Mit dem Eigenheim geht sinnvollerweise eine langfristige Standortbindung einher.

Ist dir Diversifikation wichtig?

Wenn du gerade einen neuen Tab geöffnet hast, um das Wort “Diversifikation” zu googeln, dann beantwortet du aller Wahrscheinlichkeit nach die Frage “do you even invest?” mit “nein”. In diesem Fall ist ein Eigenheim vermutlich gar keine schlechte Idee, da du mit Sparbuch und Tagesgeldkonto immer den Kürzeren ziehst.
Ansonsten stellt sich die Frage, ob du bei deinen Investments Wert auf Diversifikation legst – was du grundsätzlich solltest. Mit einem Eigenheim erreichst du natürlich das Gegenteil und trägst ein erhöhtes Klumpenrisiko (vorausgesetzt du hast nicht bereits eine beträchtliche Summe in anderen Asset-Klassen oder anderen Vermietungsobjekten). Hinzu kommt, dass ein Großteil deines Vermögens illiquid, weil immobil ist.

Fazit

Ziel dieses Beitrags war nicht, dich vom Kauf deines Eigenheims abzuhalten, sondern vielmehr aufzuzeigen, dass die finanzielle Sicht auf diese Entscheidung zumeist einfacher dargestellt wird, als sie tatsächlich ist. Vor allem wird gerne übersehen, dass Mieter Investitionsmöglichkeiten haben, die dem Eigenheimbesitzer verschlossen bleiben. Deshalb sollte man sich auch nicht auf Empfehlungen von Institutionen und Unternehmen verlassen, die ein Interesse daran haben, dass die Entscheidung in die eine oder andere Richtung fällt (Bsp. Banken). Letztendlich ist die Entscheidung allerdings nicht rein finanzieller Natur, sondern auch eine Typfrage.
Wichtig zum Abschluss: Natürlich handelt es sich bei den Darstellungen in diesem Beitrag um eine krasse Vereinfachung der Realität. Sämtliche Variablen sind – nomen est omen – variabel und kann somit bei Änderungen einer oder mehrere Variablen einmal das Eigenheim und ein anderes Mal das Mieten finanziell klüger sein. Dies kann sich natürlich auch erst mit der Zeit ändern, da bspw. niemand die Wert- oder Mietpreis-Veränderungen vorhersagen kann.

Quellen

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